Kategorie: Politik

Staats-PR-Journalisten

Jakob Augstein im Freitag über Journalisten, die Wikileaks Verantwortungslosigkeit und kriminelles Handeln vorwerfen:

Normalerweise rechtfertigen staatliche Stellen mit solchen Worten die Knebelung der Presse. Es ist ernüchternd, sie von Journalisten zu hören. Das embedding, das als kluge PR-Strategie der amerikanischen Armee im Irak-Krieg begann, ist hier weit gediehen. Ein Journalist, der die Wikileaks-Daten zuerst unter dem Gesichtspunkt der nationalen, oder – schlimmer noch – westlichen Sicherheit sieht, hat sich selbst erfolgreich zu Bett gebracht – und die Pressefreiheit gleich mit.

via Wikileaks: Wir Untertanen — Der Freitag.

Und dann wundern sich die Zeitungen über sinkende Auflagen?

Gelungene Propagandaaktion

Da konnte Israel nur verlieren. Seine Regierung war leider nicht klug genug, die geringste Niederlage zu wählen: die Schiffe passieren zu lassen und der Hamas nur einen Propagandasieg zu schenken. Kein Mitleid.

Liest man sich die Berichte über Sinn und Zweck der Aktion durch, könnte man glauben, Gaza sei komplett von der Außenwelt abgeriegelt und seine Bewohner stürben bald einen Hungertod.

Liest man aber die angenehm ausgewogenen Berichte der FAZ, die einen Berichterstatter an Bord eines der Schiffe hatte, fallen einige Widersprüche auf.

Die türkische Hilfsorganisation IHH hatte für sie [die „Solidaritätsflotte“] zuvor das Hafenbecken ausgebaggert und die Pier verschönert.

Es sind Hilfsorganisationen – sogar die IHH, die die Schiffe geschickt hat – vor Ort, offenbar mit Gerät und genügend Ausrüstung, um das Hafenbecken von Gaza-Stadt auszubaggern und zu verschönern. Wie Mitarbeiter, Geräte und Material wohl dorthin gekommen sind?

Ägypten hatte angeboten, notfalls die Güter im Hafen von El Arisch zu löschen und auf den Landweg nach Gaza zu transportieren.

Dieser Weg scheint also auch zu funktionieren. Israel hatte auch einen Transport über einen israelischen Hafen und dann auf dem Landweg nach Gaza angeboten.

Bemerkenswert auch, wie wenig die sonst so heftig angegriffene Linkspartei für ihre Hamasunterstützung kritisiert wird.

Eine „proisraelische Sicht“ gibt es bei Liza oder dem Wadiblog.

Wahrheit

Nun schenkt uns ein deutscher Politiker endlich einmal reinen Wein ein und dann ist es auch wieder nicht recht.

Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. Alles das soll diskutiert werden und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg. (Zitiert nach Zeit Online)

So einfach, so banal und auch überhaupt nicht neu. Schon Volker Rühe formulierte 1992 als Auftrag der Bundeswehr: „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen“ und Verteidigungsminister Peter Struck sagte 2004:

Moral und Geschichte reichen sicherlich nicht aus, um in jedem Einzelfall über Europas sicherheitspolitisches Engagement zu entscheiden. Andere Faktoren müssen hinzukommen, vorrangig die europäischen Interessen. Ich denke, dass in der Tat die wirtschaftliche Entwicklung Europas im 20. Jahrhundert, die Globalisierung und das Aufkommen neuer Bedrohungen zu gemeinsamen materiellen Interessen der Europäer geführt haben. Sie stehen gleichwertig neben ideellen Verpflichtungen. Zu diesen Interessen gehören der Schutz gegen internationalen Terrorismus oder die Begrenzung der Auswirkungen destabilisierender Konflikte in der europäischen Nachbarschaft. Dazu gehören auch der Schutz vor illegaler Immigration und organisierter Kriminalität oder der Schutz der Energie- und Rohstoffversorgung.

(Beides zitiert nach ‚Deutsche Kriege für das „nationale Interesse„?‘ bei Telepolis)

Zum Handel gehören immer zwei Seiten. Auch der Exporteur gewinnt bei fairen Handelsbeziehungen. Die Interessen der afghanischen Bürger und des Westens können dieselben sein. Nämlich dann, wenn elementare Bürgerrechte gegen totalitäre Fundamentalisten verteidigt werden.

Auch die USA hatten eigene Interessen, als sie halfen, die Deutschen 1945 zu besiegen. Ohne diese Interessen wären sie sicherlich nicht zum Kriegsteilnehmer geworden. Und ganz Deutschland wäre unter die Herrschaft der Sowjetunion geraten. Die Interessen der USA brachten Freiheit, Demokratie und Menschenrechte nach Deutschland. Ein erträglicher Kollateralschaden.

Eine Freiheit, die heute nicht mehr geschätzt wird. Wie sonst hätte es zu dem skandalösen Verhalten des ZDF gegenüber dem dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard kommen können?

Wer heute diese Freiheit in Anspruch nimmt, muss sich rechtfertigen. Wer Angst vor dem Gebrauch von Freiheit hat, kann sie nicht verteidigen.

Vorratsdatenspeicherung verfassungswidrig – Danke

Als Mitkläger freut mich das natürlich besonders:

Die Massen-Speicherung von Telefon- und Internetdaten zur Strafverfolgung ist unzulässig. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschied am Dienstag, dass die Vorratsdatenspeicherung gegen die Verfassung verstößt. Sie ist dem Urteil zufolge mit dem Telekommunikationsgeheimnis unvereinbar.  (Heise mit noch viel mehr Details)

Was die SPD und speziell Herr Wiefelspütz wohl dazu sagt? Werden die es jetzt endlich begreifen?

Der AK Vorratsdatenspeicherung fordert die Aufhebung der EU-Richtlinie.

Weitere Berichte wird es sicherlich bei Netzpolitik.org geben.

Ergänzung:

Das Karlsruher Urteil schließt eine Speicherung der Daten jedoch nicht generell aus. Die deutschen Verfassungsrichter stellten nicht die Zulässigkeit der EU-Richtlinie in Frage, die Grundlage für das Gesetz in Deutschland ist. Bei der Speicherung handele es sich aber „um einen besonders schweren Eingriff mit einer Streubreite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt“. Darum müsste ein derartiger Eingriff an strengste Bedingungen geknüpft werden. Diese Voraussetzungen erfüllt das deutsche Gesetz laut dem Urteil nicht. (Aus dem Heise-Artikel)

Also doch noch viele Chancen für die Regierung, eine abgespeckte Vorratsdatenspeicherung durchzusetzen. Aber immerhin ist die Öffentlichkeit jetzt aufmerksam geworden. Bürger, sei wachsam! ist jetzt die Devise.

Klimawandelatheismus

Bei aller Abneigung gegen die Klimawandelhysterie und ihre religionsartigen Auswüchse: Bloß weil es jetzt einmal ein bisschen schneit, ist die Erwärmung nicht abgesagt. Ein kalter Winter (haben wir überhaupt einen besonders kalten Winter?) macht genauso wenig eine Abkühlung wie ein heißer Sommer eine Erwärmung. Ein wenig Ahnung von der Physik komplexer Systeme (vulgo: Chaostheorie) würde schon helfen, liebe „Klimaskeptiker“ von der Achse des Guten. Man bleibt glaubwürdig, wenn man sich nicht auf Stammtischniveau begibt und Anklickmeinungsumfragen im Netz als Maßstab zur Ermittlung der Wahrheit nimmt.

Dieser ganze Klimawandelatheismus macht die ansonsten erfrischend proamerikanische, proisraelische und liberale Achse des Guten reichlich unglaubwürdig.

(Wieder) mehr Zensur, zu früh, frustrierter Journalist

Da dreht schon wieder jemand am Rad der Zensur: Jugendmedienschützer sollen sich um Social Networks und Zugangsprovider kümmern (Heise). Diese Passage klingt nach Deutschlandnet statt Internet:

Ein weiteres Zulassungskriterium in dem Entwurf sieht vor, dem Nutzer die Wahl zu lassen, ob er „unvermeidbare Zugangsbeschränkungen“ beim Zugriff aus ausländische Angebote in Kauf nehmen will.

„Unvermeidbare Zugangsbeschränkungen“ – der erste Kandidat für das Unwort des Jahres 2010?

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Paul Thurrott weist darauf hin, dass Microsoft schon 2002 einen Tablet-PC auf dem Markt hatte. Sie waren wohl damals genauso zu früh damit wie Apple seinerzeit mit dem Newton.

Dennoch wird Apple wieder einmal die Lorbeeren einstreichen und als innovative Firma dastehen.

Apple hat die Medien voll unter Kontrolle, sogar die Lecks kontrolliert Apple selber. Walt Mossberg könnte ebenso gut als Journalist wie als von Apple bezahlter PR-Mann durchgehen.

Was nicht heißt, dass die Produkte schlecht sind. Apple macht es ja meistens nahezu perfekt, auch durch den Verzicht auf zu viele Features. Es bleibt spannend.

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Paul Thurrott ist eine tragische Figur. Er hat sich als Journalist auf alles rund um Microsoft spezialisiert, aber Microsoft ist nicht mehr sexy. Wann haben die Käufer das letzte Mal wegen eines Microsoftprodukts die Läden gestürmt und Schlange gestanden? War das für Windows 95? Oder doch noch XP?

An vielen Bemerkungen in Windows Weekly und besonders an seinem Bericht über die Keynote von Steve Ballmer auf der CES merkt man, wie frustrierend es ist, über den „Verlierer“ berichten zu müssen.

Es sieht so aus, als ob Microsoft den privaten Endkundenmarkt schon aufgegeben hätte. Vielleicht werden wir Microsoft bald nur noch im Unternehmensmarkt sehen. Dort kann man Geld verdienen und die Produkte sind nicht schlecht. Langeweile ist in der Unternehmens-EDV eher ein Plus.

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Mit einer Kabel-Deutschland-Triple-Play-Kundin telefoniert. Italien (0039 40… im Display) ist um die Ecke und Echos ohne Ende gab’s dazu.

An die Kopierer, fertig, los!

Telepolis listet Werke auf, die seit dem 1.1.2010 gemeinfrei sind. Darunter sind die Werke von Sigmund Freud und Joseph Roth. Kein solcher Artikel ohne Hinweis auf die geplante Erweiterung von Leistungsschutzrechten:

Im Gegensatz zur Literatur bestehen für Musikaufnahmen nämlich auch Monopolrechte von Musikern und Plattenfirmen, die derzeit nach 50 Jahren ablaufen. Praktisch bedeutsam sind vor allem die Rechte der Plattenfirmen, die den meisten Musikern standardmäßig Nutzungsrechte abringen, so dass diesen die Leistungsschutzrechte in der Praxis nichts nützen. Trotzdem will die EU ihre Mitgliedsstaaten zu einer Verlängerung dieser Frist für Leistungsschutzrechte zwingen, was aus Rechts- und Wirtschaftswissenschaften heraus scharf kritisiert wird.

Die EU zwingt? Doch wohl eher die Mitglieder der EU sich selber. Als bequeme Ausrede, sich vor Diskussionen zu drücken, taugt die EU immer. Die Musiker hätten übigens, wie im Zitat erwähnt, nichts davon. Und 50 Jahre sollten für eine Plattenfirma doch wohl Zeit genug sein, Geld zu verdienen.

Passend dazu: Fahrenheit 451… Book burning as done by lawyers

Wird ein Linksruck die SPD retten?

Ein Linkskurs wird die SPD nicht retten. Da ist nämlich schon jemand: die Links­partei.

Die kann problemlos linke Opposition sein, weil sie nicht mit einer früheren Regierungs­beteiligung belastet ist. Sie hat der Agenda 2010, der Rente mit 67 und dem Einsatz der Bundes­wehr in Afgha­nistan niemals zugestimmt.

Das wird die SPD noch zu spüren bekommen: Die Links­partei wird Anträge einbringen, die Rente mit 67 und die Hartz 4 Reformen rückgängig zu machen. Sie wird fordern, die Bundes­wehr sofort aus Afghanistan abzuziehen.

Bei einem Wettrennen nach links kann die Links­partei wie der Igel im Märchen immerzu rufen: „Ick bün all dor!“

Diese Strategie der Anpassung hat schon bei den Grünen nicht funktioniert.

Nach dem Sturz Helmut Schmidts änderte die SPD ihre Politik. Die neu gegründeten Grünen zogen immer mehr Wähler an sich, die SPD wollte sie wieder zurückholen.

Die SPD-Linken setzten gegen die Regierungs­prag­matiker einen Kurs­wechsel durch. Die SPD lehnte jetzt die Statio­nierung der Pershing-II-Raketen in Deutschland ab. Aufkleber mit „Atomkraft – nein danke!“ zierten fortan auch Autos von Sozial­demokraten. Statt Plastik­kugel­schreibern verteilten Wahl­kämpfer Blei­stifte – natürlich unlackiert – und Stoff­taschen.

Genutzt hat die Anpassung an den grünen Zeit­geist nur den Grünen. Sie sind inzwischen stärker denn je.

(Der Autor bekennt sich schuldig, als Juso daran mitgetan zu haben.)

So darf es eben nicht bleiben

Franz Walter im Spiegel:

Kleine Zirkel, undurchsichtige Clans, durch nichts legitimierte Cliquen basteln dieser Tage in ihren Hinterstübchen an Personaltableaus. Was scheren sie die Mitglieder? Die haben dann, wenn in den Parteiloligarchien demnächst alles geklärt und abgesegnet ist, einstimmig zu nicken und uniform Folge zu leisten. Man wird ihnen herrisch von oben, aus dem Binnenraum der Cliquen, zurufen: Es sei nun keine Zeit für ausufernde Debatten und unfruchtbares Gezänk!

Ich fürchte, so wird es kommen.

Und es wird dauern, auf jeden Fall länger als die vier Jahre bis 2013.

Vielleicht sogar noch einmal genau so lange wie nach der Abwahl Schmidts? Bis die Generation Agenda 2010 aus den Ämtern gewachsen ist?

Wahlprognose Bundestagswahl 2009

Und hier die Wahlprognose für den Ausgang der Bundestagswahl.

Die Umfrage basiert auf genau einer Befragung und ist natürlich trotzdem völlig repräsentativ.

SPD:   28

CDU:  34

FDP:   12

Grüne:   11

Linke:   11

Sonstige:   4

 

Kurz: Es reicht nicht ür schwarz-gelb. Knappe Mehrheit für rot-rot-grün. Es wird eine große Koalition.