Was ist nur aus der TAZ geworden? War sie nicht einmal angetreten, die Zeitung für „unterdrückte“ Nachrichten, die Zeitung der Bürgerbewegungen zu sein?
 
Das ist wohl vorbei. Über das Thema Vorratsdatenspeicherung berichtete die TAZ genau wie alle anderen Medien erst, als die Proteste kaum noch zu überhören waren. Und die Berichte wurden dann aus bekannten Netzquellen wie Netzpolitik.org zusammenkopiert. Dabei sollte Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung doch ein typisches TAZ-Thema sein?
 
Und nun verharmlost Christian Rath auf Seite 1 (!) der TAZ vom 2. Januar die Vorratsdatenspeicherung und wirft den Protestierenden Hysterie und Angstmacherei vor.
 
Angst verbreiten die Überwachungsfanatiker. Sie opfern leichtfertig die Freiheit der Bürger für eine vorgetäuschte Sicherheit. Dabei ist gerade die individuelle Freiheit der Menschen das Pfand, mit dem die westlichen Gesellschaften wuchern können. Nur wenn wir die Freiheit verteidigen, wird der radikale Islamismus verlieren. Denn sie macht das westliche Lebensmodell attraktiv. Wer sie abschafft, spielt den Islamisten in die Hände. Deshalb das Motto „Freiheit statt Angst“.
 
Die Befürchtungen vieler seiner Kollegen, Informanten würden sich nicht mehr an die Presse wenden, bezeichnet er als „Unsinn“. Ciceroaffäre schon vergessen?
 
Größere Zusammenhänge ignoriert Rath. Wer als Journalist sogar die Ciceroaffäre vergisst, kann erst recht keine größeren Entwicklungslinien sehen.
 
Immer mehr Informationen werden gesammelt. Zuerst immer für einen begrenzten Zweck. Aber sind die Daten erst einmal da, wecken sie Begehrlichkeiten. Die Mautdaten sollten zuerst nur für Abrechnungszwecke gespeichert werden. Jetzt werden sie zur Kriminalitätsbekämpfung eingesetzt.
 
Die Verbindungsdaten sollen angeblich nur zur Aufklärung schwerster Verbrechen genutzt werden. Doch die Musikindustrie will sie auch schon nutzen. Und wer weiß, wer noch alles seine Ansprüche darauf anmeldet.
 
Die Tendenz ist unverkennbar: Die Sammelwut wird immer größer, das „Nutzungsrecht“ an den Daten immer großzügiger verteilt. Das führt in die totale Überwachungsgesellschaft. Die TAZ kümmert es offenbar nicht mehr. Gut, dass mein Abo Ende des Jahres auslief.