Monat: Januar 2008


  • Doch nur eine Stimme

    Bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg am 24. Februar gilt das erste Mal ein neues Wahlrecht.Bis jetzt habe ich mich nicht sehr für das neue Wahlrecht interessiert. Ich dachte ich weiß genug. Bei meinen ersten Kommunalwahlen in Niedersachsen habe ich meine Stimmen schließlich schon gehäufelt und verteilt.

    Das soll es jetzt auch in Hamburg geben und ich dachte: „Alles klar! Jetzt verteile ich meine Stimmen auf die Parteien und Kandidaten, die ich für wählbar halte.“

    Pustekuchen.

    Wahlentscheidend bleibt der Landeslistenstimmzettel, auf dem ich nur eine Partei ankreuzen kann. Wie bisher. Ich kann weiter keinen Kandidaten wählen, den ich für besonders geeignet halte. „Wähle die Landesliste oder nicht!“ ist das Motto der Parteien.

    Nur bei der Abstimmung im Wahlkreis kann ich kumulieren und panaschieren. Und nur dort habe ich auch Einfluss darauf, wer letztlich als Kandidat in die Bürgerschaft einzieht.

    An den Mehrheitsverhältnissen ändert das aber nichts. Denn durch Ausgleichsmandate werden die Mehrheitsverhältnisse in der Bürgerschaft wieder den Ergebnissen des Landeslistenstimmzettels angepasst.

    Und dafür nun der ganze Aufwand mit dem Wahlstift, der dann doch nicht eingesetzt wird? Die vielen Wahlhelfer, die drei Tage zählen sollen?

    Da wären wir besser beim alten Wahlrecht geblieben.

    Schuld an dem ganzen Unsinn hat die CDU. Sie hat das ursprünglich im Volksbegehren beschlossene Wahlrecht wieder gekippt und durch die jetzige verkrüppelte Version ersetzt.

    Nützen wird es den etablierten Parteien. Ich kann nicht einige Stimmen an eine kleine, neue, wahrscheinlich chancenlose Partei geben und mit den anderen für einen Regierungswechsel stimmen.

    Ich muss mich entscheiden.

    (Informationen zum Wahlverfahren auf www.24-februar.de.)


  • Star der

    Da treffen sich zwei Interessen: Die Fernsehsender, besonders die privaten, brauchen emotionale Bilder, mit denen sich die Zuschauer identifizieren können. Und mit den Prügelvideos aus den Überwachungskameras erreichen die Sender gleich zwei Gruppen:

    Auf der einen Seite den verängstigten Zuschauer, der sich mit dem Opfer identifiziert. Auf der anderen Seite die frustrierten, aggressiven und sich irgendwie benachteiligt fühlenden Jugendlichen.

    Für die sind die Täter die Stars, coole Vorbilder wahrscheinlich. Strafen schrecken sowieso nicht.

    Und so produzieren die Videos aus den Überwachungskameras gleich die nächsten Überfälle in der U-Bahn.

    Und den nächsten Star der Überwachungskameras.


  • Ausgetazt

    Was ist nur aus der TAZ geworden? War sie nicht einmal angetreten, die Zeitung für „unterdrückte“ Nachrichten, die Zeitung der Bürgerbewegungen zu sein?
     
    Das ist wohl vorbei. Über das Thema Vorratsdatenspeicherung berichtete die TAZ genau wie alle anderen Medien erst, als die Proteste kaum noch zu überhören waren. Und die Berichte wurden dann aus bekannten Netzquellen wie Netzpolitik.org zusammenkopiert. Dabei sollte Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung doch ein typisches TAZ-Thema sein?
     
    Und nun verharmlost Christian Rath auf Seite 1 (!) der TAZ vom 2. Januar die Vorratsdatenspeicherung und wirft den Protestierenden Hysterie und Angstmacherei vor.
     
    Angst verbreiten die Überwachungsfanatiker. Sie opfern leichtfertig die Freiheit der Bürger für eine vorgetäuschte Sicherheit. Dabei ist gerade die individuelle Freiheit der Menschen das Pfand, mit dem die westlichen Gesellschaften wuchern können. Nur wenn wir die Freiheit verteidigen, wird der radikale Islamismus verlieren. Denn sie macht das westliche Lebensmodell attraktiv. Wer sie abschafft, spielt den Islamisten in die Hände. Deshalb das Motto „Freiheit statt Angst“.
     
    Die Befürchtungen vieler seiner Kollegen, Informanten würden sich nicht mehr an die Presse wenden, bezeichnet er als „Unsinn“. Ciceroaffäre schon vergessen?
     
    Größere Zusammenhänge ignoriert Rath. Wer als Journalist sogar die Ciceroaffäre vergisst, kann erst recht keine größeren Entwicklungslinien sehen.
     
    Immer mehr Informationen werden gesammelt. Zuerst immer für einen begrenzten Zweck. Aber sind die Daten erst einmal da, wecken sie Begehrlichkeiten. Die Mautdaten sollten zuerst nur für Abrechnungszwecke gespeichert werden. Jetzt werden sie zur Kriminalitätsbekämpfung eingesetzt.
     
    Die Verbindungsdaten sollen angeblich nur zur Aufklärung schwerster Verbrechen genutzt werden. Doch die Musikindustrie will sie auch schon nutzen. Und wer weiß, wer noch alles seine Ansprüche darauf anmeldet.
     
    Die Tendenz ist unverkennbar: Die Sammelwut wird immer größer, das „Nutzungsrecht“ an den Daten immer großzügiger verteilt. Das führt in die totale Überwachungsgesellschaft. Die TAZ kümmert es offenbar nicht mehr. Gut, dass mein Abo Ende des Jahres auslief.