Jahr: 2005

Deutscher Wahlkampf mit amerikanischen Flutopfern

Der Spiegel, oder besser dessen Chefredakteur Stefan Aust, hat etwas gegen alternative Energien. Und er nutzt den Spiegel auch, um private Auseinandersetzungen zu führen.

Die Chancen stehen nicht schlecht, dass wir in zwei Wochen eine Regierung haben, die genauso wenig von Erneuerbaren Energien hält.

Da wollte der Spiegel wohl ein wenig Wahlkampfhilfe leisten. Und drischt mit dem an den Haaren herbeigezogenen Vorwurf auf Umweltminister Trittin ein, er zeige kein Mitleid mit den Opfern der Flutkatastrophe in New Orleans. Er habe nämlich in einem Kommentar für die Frankfurter Rundschau auf die schon am Boden liegenden Opfer eingetreten. Als der Kommentar entstand, schien es aber so, als ob die große Katastrophe ausgeblieben wäre. Selbst einen Tag nachdem Trittins Kommentar in der FR erschien, schrieb Spiegel Online:

Die Angst vor Zerstörung war groß, doch trotz fliegender Trümmer und überfluteter Straßen blieb New Orleans das Schlimmste erspart. Die Menschen feiern ihr Überleben nach Südstaaten-Art: mit einem Drink in ihrer Lieblingsbar.

Wie gut, dass es inzwischen Weblogs gibt. Bei Lautgeben wird schön auseinander genommen (englische Übersetzung), wie der Spiegel die Kampagne führt. Und bei Industrial Technology & Witchcraft wird noch einmal darauf hingewiesen, was Spiegel Online-Chef Mathias Müller von Blumencron von Weblogs hält. Kein Wunder, dass er sie nicht mag, denn wer sieht schon gerne die eigene Berichterstattung an den Pranger gestellt.

Heute nimmt Trittin in einen Interview in der Frankfurter Rundschau noch einmal Stellung zu den Vorwürfen. Auf den Vorwurf, in seinem ersten Beitrag in der FR zeige er kein Mitgefühl, entgegnet Trittin:

Mein Beitrag beschäftigte sich doch genau damit, wie Elend verhindert werden kann. Noch einmal: Ich hätte sicher andere Fragestellungen in den Vordergrund gestellt, wenn am Montag, als der Beitrag geschrieben wurde, das Ausmaß der Katastrophe schon absehbar gewesen wäre. Fast alle Kommentare in den Dienstagszeitungen sind von der Einschätzung ausgegangen, New Orleans sei vom Schlimmsten verschont geblieben, was sich erst danach leider als falsch erwies.

Die Frankfurter Rundschau selbst nimmt auch noch einmal in einem Kommentar Stellung:

Was wäre das für ein deutscher Wahlkampf, der nicht noch aus dem verheerendsten Hurrikan einen Sturm im Wasserglas machte. Der Umweltminister schreibt Kritisches über die US-Klimaschutzpolitik, was ja nun seines Amtes ist, geht aber – das Ausmaß der Katastrophe ist an diesem Tag noch unklar – weder ausdrücklich noch ausführlich auf das Leiden der Opfer ein. Die Opposition wittert prompt „Zynismus“ und würde Jürgen Trittin gern „sofort rausschmeißen“. Natürlich hat der Minister ein Recht, darauf wiederum zu antworten (Seite 4). Aber wenn die Politik, welcher Farbe auch immer, nicht aufpasst, macht sie sich kollektiv des Zynismus schuldig, indem sie an der wirklichen Dimension des Ereignisses vorbei diskutiert.

Vor vielen Jahren las ich den Spiegel wirklich gern. Stefan Aust hat ihn zur Bild-Zeitung mit längeren Sätzen gemacht. Es wird Zeit, den Spiegel zu ignorieren.

Google Talk gestartet

Nun ist es also soweit, die Gerüchte sind wahr: Google Talk ist gestartet.

Google Talk basiert auf Jabber, Google bietet einen eigenen Client an, aber auch andere Jabber-Software soll funktionieren.

Mit Google Talk kann man nicht nur Textnachrichten versenden, sondern auch telefonieren.

Google Talk erfordert einen Account bei Google Mail. Zur Zeit ist nur die Kommunikation mit anderen Nutzern von Google Mail möglich. Benutzer anderer Jabber-Server sind also nicht erreichbar. Aber daran wird laut Google gearbeitet.

Die Software kommuniziert über den Port 5222 mit dem Google Talk-Server, also unverschlüsselt.

Laut den Logs meiner Firewall nutzt er auch Port 443 (https).

Zum Thema Datenschutz sagt Google:

Google does not collect the content of instant message chats or voice conversations. As with all major IM services, Google Talk will collect certain log information created in the course of a conversation. This information is for Google’s internal use only, to maintain statistics on usage and to improve our service and the user experience. We do not permanently store any personally-identifying information in the Google Talk logs. And we do not log any of the content of your chats or calls.

Einerseits sehr erfreulich, dass ein offener Standard wie das Jabber-Protokoll die Unterstützung eines Internetriesen hat. Das bringt hoffentlich viele gute Entwicklungen auch von dritter Seite.

Google wiederholt mit der Insellösung den Fehler, den alle anderen kommerziellen IM-Anbieter auch machen: Kommunikation nur zwischen den eigenen Kunden. Ich kann mich noch dunkel an Zeiten erinnern, als man von E-Mail-Gateways sprach zwischen Compuserve, AOL, dem Internet und verschiedenen Mailbox-Netzen. Und nie konnte man sicher sein, dass die Gateways auch funktionierten.

Gäbe Google die Insellösung auf, könnte alleine Googles Marktmacht zu einer Standardisierung führen.

Bei Steffen Nork gibt es eine Anleitung für iChat.

Und hier etwas über Trillian und GAIM.

Beckstein vorbeugen

Aus der TAZ, genauer dem montäglichen Interview mit Friedrich Küppersbusch:

Nach den Anschlägen in London brodelt die Debatte um neue Sicherheitsgesetze. Nun fordert auch Innenminister Schily die „Sicherungshaft“: Eine sinnvolle Maßnahme?

Ja, hier wird sinnvoll der Gefahr vorgebeugt, dass Linksliberale wie Beckstein weniger weitgehenden Quatsch reden.

Ein bisschen Spott muss sein

FDP-Programm vom Praktikanten geschrieben

Ein Praktikant schreibt also die Programme bei der FDP. Leichtmatrosen halt ;-)

Von: Nico und Themaastrix

Kommentarzensur, die Mittagspause und Xsadfkmslllasfsdf

Nicolas Vogel fragt sich:

Wer Kommentare als Funktionalität einbindet, muss alles stehen lassen oder findet sich in der Rolle des Zensors wieder. Oder ist man schon Zensor, wenn man die Funktionalität unterläuft?

Nein, Zensur ist es nicht, weder so noch so. Schließlich kann der betroffene Kommentator jederzeit anderswo schreiben oder sein eigenes Blog aufmachen.

Wer aber nur Lobhudeleien als Kommentare auf seiner Seite hat, macht sich schnell unglaubwürdig.

Außerdem spielt er ein Suchmaschinenspielchen. Wer hat alles die Buchstabenfolge Xsadfkmslllasfsdf auf seine Seite geschrieben?

Jede Seite mit Xsadfkmslllasfsdf könnte natürlich auch noch eine Buchstabenkombination veröffentlichen: Xsadfkmslllasfsdfa (ein Buchstabe mehr!), die dann zusatzlich auf Webseiten gebracht wird, die durch diese Webseite auf Xsadfkmslllasfsdf aufmerksam wurden. Und immer so weiter…

Ja, ja, schon gut, sinnlose Mittagspausengedanken.

Darum CT und nicht Chip lesen

Das Computermagazin Chip hat alle Links auf den russischen Musik-Download-Shop allofmp3.com entfernt. Das berichtet der Spiegel.

Der Heise-Verlag hat die Links auf Heise.de nicht entfernt:

Links gehörten in die Online-Berichterstattung wie die Seitenzahlen in eine Zeitschrift, sagte „c’t“-Redakteur Holger Bleich. Man wolle den Lesern nicht in vorauseilendem Gehorsam Informationen vorenthalten, nur weil sie den kommerziellen Interessen einer Gruppe von Unternehmen entgegenstünden.

Die deutsche Musikindustrie will verhindern, dass Links auf allofmp3 gesetzt werden, weil auch deutsche Kunden dort einkaufen können. Allofmp3.com hat jedoch keine Lizenzen, um Musik nach Deutschland zu verkaufen. Außerdem dürfte die Musikindustire nicht darüber erfreut sein, dass die Dateien nicht durch DRM „geschützt“ sind.

Seiten mit Links auf allofmp3.com und positiven Testberichten werden jetzt abgemahnt.

Einfache Frage

Warum gibt es keine Fatwa gegen Osama bin Laden? Wenn es eine gegen Salman Rushdie gibt?

Gefragt in einem Interview der Kulturzeit mit Reza Hajatpour.

Er war einst Mullah im Iran und hat sich dann vom Islamismus abgekehrt.

Buchtipp: Der brennende Geschmack der Freiheit

Ergänzung (24.7.2005): Inzwischen hat der Rat der Sunniten in Großbritannien eine Fatwa erlassen.

Nach dem Terror in London: Noch mehr Einschränkungen von Bürgerrechten

Heiko fragt zurecht, was denn nun die schärferen Sicherheitsgesetze, die nach dem 11. September verabschiedet wurden, gebracht haben?

Mehr Überwachung der Bürger hat diesen Anschlag nicht verhindert. Und wird auch zukünftige Anschläge nicht verhindern.

Im anlaufenden Bundestagswahlkampf wird diese Einsicht wohl keine Rolle spielen. Politiker aller Parteien außer der Grünen werden sich überschlagen dabei, noch schärfere Sicherheitsgesetze zu fordern.

Alles was dadurch erreicht wird: Wir gäben die Freiheit auf, die uns anderen Gesellschaftsordnungen überlegen macht. Und bekämen nichts dafür.

Die Anschläge könnten CDU und SPD nützen. Wenn das Sicherheitsbedürfnis wächst, wenden sich die Wähler eher wieder den großen Parteien zu. Zum Thema Innen- und Sicherheitspolitk hat sich die Linkspartei jedenfalls noch nicht geäußert.

Die Familienförderung der CDU

Familienpolitik ist ein Lieblingsthema der CDU. Einer konservativen Partei bedeuten Familien immer sehr viel. Auf dem Papier.

Nun hat sich die hessische Sozialministerin Silke Lautenschläger (CDU) etwas ausgedacht, um den Zusammenhalt in den Familien zu fördern:

Laut Netzeitung sollen zuerst die Kinder oder Eltern den Arbeitslosen unterstützen, bevor er Anspruch auf Arbeitslosengeld II hat. Erst wenn die nicht zahlen können, soll das ALG II gezahlt werden.

Das soll wohl als Ausgleich gemeint sein. Denn die Wirtschaftspolitik der CDU fordert den zeitlich und örtlich völlig flexiblen Arbeitnehmer. Dabei gehen Familienbindungen natürlich kaputt.

Als Ausgleich wird dann diese Gemeinschaft über Zwang wiederhergestellt?

Eine der größten Errungenschaften des Sozialstaates ist, dass jeder das gleiche Recht auf Hilfe hat. Und diese Hilfe kommt von einer unabhängigen und anonymen Institution. Ich muss nicht die Nachbarn oder meine Familie anbetteln, wenn ich in wirtschaftlicher Not bin.

Diesen gesellschaftlichen Fortschritt möchte die CDU offensichtlich abschaffen.

Glos (CSU) macht den Lafontaine

Im Radio läuft die Debatte des Bundestages über die Vertrauensfrage des Kanzlers.

Glos spricht und rechnet mit Schröder ab. Er wirft Schröder vor, nichts zu den Fehlern gesagt zu haben. Und was ist ein großer Fehler in den Augen des Herrn Glos? Das Einwanderungsgesetz, das für „massenweise“ Einwanderung gesorgt habe.

Da fischt einer am rechten Rand, noch schlimmer als Lafontaine. Der Wahlkampf kann fürchterlich werden.