Jahr: 2004

Die SPD und die Wehrpflicht

Die SPD diskutiert die Wehrpflicht. Im nächsten Jahr soll ein Parteitag entscheiden, ob die SPD weiter für die Wehrpflicht ist.

In der demnächst noch 250.000 Mann starken Bundeswehr wird es bald nur noch 30.000 Wehrpflichtige geben. Nur noch ein kleiner Teil der Wehrpflichtigen wird eingezogen. Wir haben also keine Allgemeine, sondern nur noch eine Auswahlwehrpflicht.

Passend dazu brachte NDRInfo in seiner Sendung „Streitkräfte und Strategien“ einen historischen Rückblick (PDF, etwa ab Seite 10) von Prof. Wolfram Wette auf die SPD und die Wehrpflicht – und auf die damit verbundenen Hoffnungen:

Die frühen Sozialdemokraten verstanden die Wehrpflicht als ein Recht zur Teilhabe an der Staatsmacht. Sie hofften, die Allgemeine Wehrpflicht als einen Hebel zur politischen Veränderung einsetzen zu können. Eben dieses meinte der sozialdemokratische Parteiführer August Bebel, als er im Jahre 1872, während des Leipziger Hochverratsprozesses, öffentlich ausführte – Zitat: „Mit dem Immer-weiter-um-sich-Greifen der sozialistischen Idee werde dieselbe auch unter dem Militär verbreitet werden, und schließlich könne es wohl dahin kommen, dass, wenn das Militär zum Schießen kommandiert werde, es ganz woanders hin schieße, als ihm geheißen werde.“

Die Hoffnung habe sich nicht erfüllt. Eher sei es umgekehrt gewesen und der Militarismus sei noch gestärkt worden.

Nach dem 2. Weltkrieg war die SPD erst einmal schlauer. 1955, bei den Beratungen der neuen Wehrgesetze, führte der sozialdemokratische Rechtsexperte Adolf Arndt aus:

Demokratie und Militär sind bei allen Völkern und zu allen Zeiten schwer miteinander vereinbare Gegensätze gewesen. Demokratie ist ihrem Wesen nach Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Das Gesetz des Militärs aber ist der Gehorsam in einem Verband, der durch Befehl regiert wird. Demokratie ist Aufteilung der Macht und Gleichgewicht durch gegenseitige Kontrolle. Militär ist Zusammenballung der Macht und Unterordnung.

Und der damalige verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Fritz Erler, sagte:

Der Geist der Gesamtarmee hängt – auch wenn Sie die Wehrpflicht einführen – nicht von der Gesinnung der Wehrpflichtigen, sondern von der Gesinnung des Kerns und der Vorgesetzten ab, […] denn der ist in beiden Fällen identisch.

Wer glaubt, eine im Kern undemokratische Armee durch Wehrpflichtige demokratisieren zu können, irrt sich. Eine Armee ist so wie ihre Führungskräfte – egal ob Wehrpflicht- oder Berufsarmee.

Submission zum Herunterladen

Der Film „Submission“ des ermordeten niederländischen Filmeachers Theo van Gogh kann auf der Seite „Genoeg nu“ heruntergeladen werden.

(Update) Bei „Genoeg nu“ ist der Film nicht mehr zu bekommen. Vielleicht haben sie nur ihr Übertragungsvolumen verbraucht, wer weiß?

Aber bei ifilm gibt es ihn noch, wenn auch nur als Livestream.

(Quelle: Telepolis)

Tango in Paris

Die Zeit hat in ihrem Reiseteil heute einen schönen Artikel über argentinischen Tango in Paris samt Adressen.

Vor ein paar Jahren noch schien Tango ein Fossil. Menschen unterhalb der Pensionsgrenze dachten dabei an Pomade und Mottenkugeln. Nun gibt es ihn wieder, und seine zweite Hauptstadt ist Paris. Unzählige Tanzveranstaltungen, milongas genannt, finden hier jeden Abend statt. Im Sommer wird am Quai Saint-Bernard unter freiem Himmel getanzt. Und nicht nur aficionados schätzen den wehmütigen Klang des Bandoneons. Tango hat den Dancefloor erobert. Er gehört zum Soundtrack der Nacht.

Genosse Nachwuchs

Das kann Genosse Karteileiche (nämlich mich) doch noch zu einer Parteiveranstaltung locken! Olaf Scholz lädt ein:

„Genosse Nachwuchs“ ist der amüsante und kritische Erfahrungsbericht des frisch gebackenen „Genossen“ Nicol Ljubic. Angespornt durch den Wunsch, etwas zu verändern, begibt sich der Autor selbst als aktives Parteimitglied in die Niederungen der ältesten Volkspartei Deutschlands, der SPD. Er führt Tagebuch über Eingewöhnungsphase, Wahlkampf, Arbeit an der Basis und Begegnungen mit den ganz Großen der Politik. In herzlich-spöttischer Weise schildert Nicol Ljubic sein Freud und Leid im Umgang mit persönlichem und schriftlichem Kontakt zur Partei, unter anderem auch mit dem vorherigen Generalsekretär der SPD, Olaf Scholz.

Nicol Ljubic feierte den Wahlsieg Gerhard Schröders bei der Bundestagswahl 1998, damals war er noch kein Parteimitglied, auf einer Wahlparty in der Holstenstraße. Nur wenige Meter weiter feierte Olaf Scholz seinen Einzug in den Deutschen Bundestag, als Direktkandidat des Wahlkreises Hamburg-Altona. Auch in Berlin wohnen beide nur wenige Straßen voneinander entfernt, im Bötzowviertel im Prenzlauer Berg.

19:30 Uhr am Montag, 08. November 2004
Ort:
Foyer Altonaer Theater
Museumstr. 17, Ottensen

Rezension bei: Nico, Vorwärts, Spiegel

Das neue Polizeigesetz der SPD in Hamburg

Reformen von Polizei- und Geheimdienstgesetzen laufen fast immer nach demselben Muster ab: Egal ob Opposition oder Regierung, egal ob rechts oder links, am Ende sind die Gesetze strenger als zuvor und erweitern die Befugnisse der Behörden oder eröffnen ihnen ganz neue Möglichkeiten. Gesetze, die den Bürgern wieder mehr Freiheiten geben und den Schutz der Privatsphäre ausweiten, sind eher die Ausnahme.

So ist es auch dieses Mal in Hamburg. Eine Reform des Polizeigesetzes muss her. Weiterlesen

Sie ist ein Yankee

Wie sehr der Antiamarikanismus schon in Europa um sich gegriffen hat, zeigt diese kleine Meldung aus der Welt des Pop:

Bob Geldof plant wieder eine „Band Aid“-Aktion zugunsten Hungernder in Afrika.

Auch Madonna wollte mitmachen, wurde jedoch mit den Worten

letzten Endes ist sie ein Yankee. Und so was brauchen wir nicht.

von den Organisatoren verschmäht.

Das Geld der Plattenkäufer aus den USA nehmen sie aber wahrscheinlich. Und MTV soll das Stück bestimmt auch spielen.

Suppenlesung

Literatur auf die Ohren und Suppe in den Mund. Von der Terminseite des Forums junger Autorinnen und Autoren Hamburg:

Im November nimmt die Galerie Entwurf-direkt ihre Reihe „Lesung & Suppe“ wieder auf. Bei einem guten Teller hausgemachter Suppe und einem Glas Wein kann man dort in gemütlicher, fast familiärer Runde Geschichten rund um das Essen lauschen. Dabei zeigt sich das Forum mit einer Beteiligung an vier aufeinander folgenden Terminen einmal wieder stark präsent. Ort: Kleine Rainstraße 6, 22763 Hamburg-Ottensen. Beginn: jeweils Mittwoch 20.00 Uhr. Eintritt für den kulinarisch begleiteten Abend: 5,- Euro (incl. Suppe). Reservierung unter Tel. 040 / 39 80 57 89 oder an p.schumann@entwurf-direkt.de ist wegen nur begrenztem Platzangebot dringend angeraten. Näheres unter www.entwurf-direkt.de.

Am 3. November liest Silke Stamm ihre Erzählung „Komm wir gehen“ und Tanja Schwarze ihre Kurzgeschichte „Häschen in Hamburg.“

Von Silke gibt es bei den Weblesungen drei Texte zu hören:

Werbung für die Suppenlesungen des Forums junger Autorinnen und Autoren
Dieses Foto steht nicht unter der Creative Commons Lizenz.

John-Peel-Sonntag beim Freien Sender Kombinat

Aus einer Pressemitteilung des Freien Sender Kombinats (FSK) aus Hamburg:

Das Freie Sender Kombinat widmet dem britischen Radio-DJ John Peel am Sonntag,
den 31.10. einen ganzen Sendetag. Der legendäre BBC-DJ war am 26.10.04 an
Herzschlag gestorben. Peel hatte seit 1996 ehrenamtlich regelmäßige Sendungen
eigens für das FSK in Hamburg produziert. Danach wurde das Programm bei anderen
Freien Radios in der gesamten Bundesrepublik ausgestrahlt. Mehrere
öffentlich-rechtliche Sender in Deutschland hatten John Peels DJ-Shows zuvor
wegen „mangelnder Massenkompatibilität“ abgesetzt.

Der John-Peel-Sendesonntag im FSK am 31.10.04:

  • 07:00 John Peel´s Music – vier Stunden John Peel exklusiv für FSK
  • 11:00 Statt John Peel Wildecker Herzbuben satt? Zur Forderung nach einer Musikquote in deutschen Rundfunksendern
  • 15:00 „Tribute to John Peel“ – Live-Programm mit Studiogästen, Interviews, Statements und Musik
  • 18:00 FSK-Radiokonzert Nr. 4 mit jungen Bands. Live im Studio spielen Eniac, Buddy Fucking Sound System, xrfarflight, Pommes Brutal, Vaz

Abschied vom Welt-Radio-DJ

John Peel ist tot.

Für welchen brauchbaren Sender hat er eigentlich kein Programm gemacht? Sogar für das kleine mittellose Freie-Sender-Kombinat aus Hamburg war er da.

Als John Peel nach Europa kam, fing er beim Nordsee-Piratensender Radio Caroline an. Das war trotz aller Piratensenderromantik ein kommerzielles Radio.

Aber John Peel ignorierte in seinen Nachtprogrammen die Playlists und spielte, was er wollte. Und das wurde dann sein Markenzeichen.

Heute sitzt bei den Kommerzradios nachts niemand mehr im Studio. Die Musik wird von Computern abgespielt.

Auf die Playlists kommen nur noch Stücke, die auch ja keinen Abschaltimpuls auslösen.

Bei den Internetradios sieht es nicht besser aus. Auch die spulen nur Playlists herunter, wenn auch für verschiedene Geschmäcker.

Lichtblicke gibt es höchstens im Nachtprogramm von NDR Info.

Fernsehserie zum Ramadan zu liberal

Jedes Jahr zum Ramadan gibt es in arabischen TV-Sendern Fernsehserien speziell zu diesem Anlass. Sie boten auch immer wieder Anlass zur Kritik: Von israelischer Seite wurden den Sendungen vorgeworfen, antisemitisch zu sein.

Dieses Jahr sei das anders, schreibt Andrea Nüsse in der Frankfurter Rundschau.

Eine islamistische Gruppe forderte die Absetzung der in Jordanien gefilmten Serie Die Straße nach Kabul, welche die Liebesgeschichte einer Afghanin erzählt, die sich in London in einen Araber verliebt und mit ihm in ihre Heimat zurückkehrt. Dabei wird die Geschichte Afghanistans seit der sowjetischen Besatzung und anschließend unter der Herrschaft der Taliban erzählt. Die Unterdrückung der Frauen in dieser Zeit kommt dabei ebenso zur Sprache wie interne Streitigkeiten unter den Taliban-Fraktionen.

Das war islamischen Fundamentalisten offenbar zuviel. Eine bisher unbekannte Gruppe bedrohte alle an der Produktion Beteiligten und die Serie wurde abgesetzt.

Der Vorfall zeigt, wie groß die Macht selbst völlig unbekannter, aber gewaltbereiter islamistischer Gruppen geworden ist. Die Gruppe hat den Film nicht gesehen und warnt nur davor, dass sie alle Beteiligten verfolgen werde, „falls etwas anderes als die ,ehrbare Realität der Taliban'“ gezeigt würde. Die kann getrost als „intellektueller Terrorismus“ bezeichnet werden – so hatten arabische Medien vor zwei Jahren auch die israelische Kritik an der ägyptischen Ramadan-Serie Reiter ohne Pferd bezeichnet.