Baader-Meinhof-Komplex

Baader-Meinhof-Komplex gesehen. Kein guter Film. Die komplette Vorgeschichte der Figuren, ja der ganzen BRD-Gesellschaft, fehlt völlig. Dem Film nach wird Meinhof zur Terroristin, weil ihr Mann fremdgeht. So ähnlich hätte es auch der Macho Baader sehen können.

Der Film ist ein Spiegel. Meine ersten politischen Erfahrungen sammelte ich in den Achtzigern, der Zeit der „geistig-moralischen“ Wende des Helmut Kohl. Vom RAF-Terror erinnere ich mich an die Fahndungsplakate, die überall hingen. Und an die Polizeikontrollen an den Landstraßen.

Deutschland war für mich vor allem das Land, das sechs Millionen Juden umgebracht und Europa mit zwei Weltkriegen überzogen hatte. Und diese Geschichte immer noch leugnete. Es gab Menschen, die sich für die Geschehnisse während der Nazizeit in unserem Dorf interessierten. Sie bekamen Morddrohungen und wurden als Juden beschimpft. Dieses Land war immer noch furchtbar und fruchtbar für den Nazismus. Und dann Politiker wie Strauß: „Freiheit statt Sozialismus“ plakatieren, aber selbst kritische Journalisten als Landesverräter festnehmen und Menschen, die gegen die eigenen Atom(waffen)pläne protestieren, niederknüppeln lassen.

Die RAF hasste dieses Land. Dieses Land hasste die RAF. Ich mochte dieses Land auch nicht. Hätte ich im Zweifelsfall den Aufenthaltsort eines Terroristen verraten? Ich weiß es nicht.

Diese Selbsttäuschung: Die erste Nachkriegsgeneration, die sich so sehr von der Nazigeneration absetzen wollte, hatte als Hauptfeind neben den USA schon wieder Israel im Auge. Wie ähnlich sie sich waren! Die faschistische Wahnvorstellung von der jüdischen Weltverschwörung hat die RAF durch den Wahn ersetzt, gegen einen faschistischen Staat zu kämpfen. Wäre er es gewesen, die RAF-Gefangenen wären ohne viel Aufhebens im Meer versenkt worden. So wie argentinische oder chilenische Oppositionelle.

Nach dem Film Gespräche: Eine junge Frau kann nicht glauben, dass bei den Protesten gegen den Schah persische Agenten unter den Augen der deutschen Polizei auf Demonstranten einprügeln durften. Und dass diese Polizei dann die Demonstranten mit Pferden gejagt und niedergeknüppelt hat. Dieses Land ist zivilisierter geworden dank 68.

3 Kommentare

Antworten

  1. Ich finde den Film auch nicht gut. Viel später geboren, kann ich mir kaum vorstellen, wie es 68 und in den 70ern in der BRD zugegangen ist. Dieser Film bietet mir Bilder an, die ich nicht als vollständig akzeptieren will, sondern denen ich andere Stimmen, mehr Geschichten und Meinungen hinzufügen muss, wenn ich anfangen möchte zu verstehen. Ich fürchte aber, dass dieser populäre Film als (einzige?) Referenz für die RAF-Historie für viele Menschen in meiner Generation bestehen bleiben wird. Ich hoffe, wir werden dagegen anreden und -lesen.

  2. Dieser Film wird wahrscheinlich in den Schulen enden. Die Buchvorlage von Aust hat sich ja schon als die Quasi-Referenz am Markt durchgesetzt.

    Irgendjemand hatte mir ja praktischerweise das RAF-Buch von Willi Winkler zum Geburtstag geschenkt. Ich habe es noch nicht durchgelesen, aber er behandelt die Anfänge bis in die 50er zurück. Und zeigt die eine oder andere interessante Verbindung auf: Dass Ulrike Meinhof Helmut Schmidt schon einmal beim SDS rhetorisch gedemütigt hat oder dass der Verfassungsschutz den ersten militanten Gruppen den Sprengstoff lieferte. Alles sehr spannend.

    Obwohl hier langsam schon die Schere im Kopf zuschlägt. Ich weiß nicht, ob ich hier wirklich jeden Link zu interessanten Material veröffentlichen würde. Ich denke dabei weniger an den Staat als an mögliche potentielle Arbeitgeber…

  3. Da hast du Recht Andreas. Ich bin auch, neben der Zauberkunst, Lehrer für Geschichte und Mathematik und der Film wird wirklich im Geschichtsunterricht gezeigt – und mit vielen weiteren Informationen muss ich sagen: Er ist es wert gezeigt zu werden und die Schüler erleben etwas worüber sie wirklich noch lange diskutieren. Das ist heutzutage sehr selten.